Was bleibt für uns Softwareentwickler im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz überhaupt noch zu tun?

Was bleibt für uns Softwareentwickler im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz überhaupt noch zu tun?

Niemand kann die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) im Bereich der Softwareentwicklung in den nächsten Monaten und Jahren genau vorhersagen. Doch sollte der überaus beeindruckende „first AI software engineer“ Devin von Cognition AI Labs uns in Erinnerung rufen, sich regelmäßig mit einer Frage auseinanderzusetzen: wie müssen wir uns als Softwareentwickler weiterbilden, um auch in Zukunft als Arbeitskräfte relevant zu bleiben. Sonst sind wir eines Tages „plötzlich“ out of business!

Es wird bis zum erfolgreichen Prompt: ‚Entwickle ein System, das dieselben Funktionen wie SAP bietet, jedoch mit einer verbesserten Benutzeroberfläche‘ noch eine ganze Weile dauern. Dennoch werden früher oder später Fachabteilungen, also die Träger des Domain Knowledge, durch künstliche Intelligenz in die Lage versetzt, mit gewissen Einschränkungen, eigenständig Software zu entwickeln. Sobald die Softwareentwicklung durch KI tatsächlich demokratisiert wird, also praktisch kostenfrei und theoretisch von jedermann durchgeführt werden kann, wird sich jeder dedizierte Softwareentwickler der Herausforderung gegenübersehen, die bereits den Kaufleuten in der Antike bekannt war: Sie müssen einen Weg finden, ihren potenziellen Kunden einen Wert zu bieten, der die in Rechnung gestellten Kosten übersteigt.

Zwei oft genannte Empfehlungen dürften sich als Sackgassen erweisen:

  • Prompt Engineer zu werden, also jemand, der die Fähigkeit besitzt, präzise Fragen zu stellen. Wenn ich gelegentlich ziemliches Kauderwelsch in ChatGPT eingebe und es mich dennoch versteht, bezweifle ich, dass man künftig allein durch die Fertigkeit präzise Fragen zu stellen seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Schließlich verdient heute auch niemand sein Geld ausschließlich mit dem Googeln.
  • KI-Guru zu werden, also jemand, der darauf abzielt, die tiefsten Wahrheiten und Zusammenhänge innerhalb der Künstlichen Intelligenz zu verstehen. Dies erfordert viel Zeit und ein intensives Eintauchen in Mathematik, wobei die Gefahr besteht, sich in zahlreichen Nebenwegen zu verlieren. Genauso wie ich nichts über den Motor meines alten VW Passat wissen muss, um von A nach B zu kommen, ist es nicht zwingend notwendig, jedes Detail der KI zu verstehen.
  • KI-Engineer zu werden, also jemand der von OpenAI und Konsorten angestellt wird, um KI-Systeme zu entwickeln. Niemand weiß, wie groß dieser Arbeitsmarkt werden wird, da die KI analog zum Tätigkeitsfeld des Software-Engineers zunehmend Arbeiten im Bereich KI-Engineering selbst übernehmen wird.

Dennoch sind Grundkenntnisse über KI und ein Verständnis dafür, was sie kann und was (noch) nicht, zweifellos sehr wichtig.

Menschen werden auch dann noch überwiegend die Entscheidungsträger sein, wenn KI bereits Software entwickeln kann. Der Mensch wird sich die Kontrolle über das Budget nicht so schnell entziehen lassen! Neue Technologien wecken stets Ängste, und solange Menschen Entscheidungsträger sind, wird das Verlangen bestehen, einen menschlichen Faktor im Softwareentwicklungsprozess beizubehalten – möglicherweise stärker, als es tatsächlich notwendig ist. Zwar fliegen Autopiloten Flugzeuge sicher, sobald sie einmal ihre Flughöhe erreicht haben, doch als Passagier möchte man nicht sehen, wie Pilot und Copilot sich am hinteren Ende des Flugzeugs entspannt zurücklehnen und Kuchen essen. Insbesondere in Fällen, in denen Todesfälle eindeutig auf KI-entwickelte Software zurückzuführen sind, wird das die Ängste vor der neuen Technologie befeuern. In den Medien wird dann kaum bis gar nicht darüber berichtet werden, dass dieselbe Software im selben Zeitraum möglicherweise tausend Menschenleben gerettet hat.

Von den traditionellen Rollen in der Softwareentwicklung werden voraussichtlich die folgenden am ehesten obsolet:

  • Requirements engineer (da Fachabteilungen diese Aufgabe übernehmen werden, weil KI-Systeme deren Anforderungen besser interpretieren können, als sie es selbst vermögen)
  • Programmierer (durch die Nutzung von Entwicklungsassistenten wie Copilot, Devin & Co.)

Aufgrund des exponentiellen Wachstums in der Softwareproduktion durch die KI dürften hingegen folgende Rollen zunächst einen Aufschwung erfahren, bedingt durch die noch unzureichenden Fähigkeiten der KI in diesen Bereichen:

  • User Experience (UX): Bei neuen Technologien, wie z.B. der Erstellung von 3D-Zwillingen, haben wir Menschen ein besseres Verständnis dafür, wie man die Nutzererfahrung optimieren kann.
  • Qualitätssicherung: Es ist zu erwarten, dass Menschen für eine gewisse Zeit (teilweise zu Recht) die automatisch generierte Testfallerstellung überwachen möchten, insbesondere bei Randfällen (Edge Cases).

Die folgenden Bereiche dürften zweifellos eine steigende Nachfrage erleben und können somit Softwareentwicklern neue Perspektiven bieten:

  • Digitale Ethik: Angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen stellt sich immer häufiger die Frage, was erlaubt sein sollte und was nicht. Diese Entscheidungen müssen von Menschen getroffen werden.
  • IT-Compliance: Die zunehmende Sorge um den Einsatz von KI führt zu verstärkten regulatorischen Anforderungen und höheren Strafen, was den Bedarf an IT-Compliance erhöht.
  • IT-Sicherheit: Das fortwährende Kräftemessen zwischen Hackern und Sicherheitsexperten wird vorhersehbar weitergehen. KI stellt dabei lediglich eine neue, mächtige Waffe dar, die von beiden Seiten eingesetzt wird.

Künstliche Intelligenz (KI) wird schnell in der Lage sein, Projekte in neuartigen Umgebungen (Grüne Wiese) zu übernehmen, und verspricht dabei, hochwertige Software nahezu kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dennoch werden zahlreiche Legacy-Systeme mit ihren vielschichtigen und komplexen Verbindungen zu anderen Systemen weiterhin in Unternehmen im Einsatz sein. Obwohl das Ziel darin besteht, diese durch kosteneffiziente und leistungsfähigere Software, die durch KI generiert wird, zu ersetzen, hängen kritische Geschäftsprozesse von diesen Altsystemen ab. Ihre Migration stellt daher oft eine Herausforderung dar, die mit einer Operation am offenen Herzen vergleichbar ist. In diesem Kontext könnte ein KI-Integrator zu einer wichtigen neuen Rolle in der IT-Landschaft avancieren. Dabei stehen folgende Fragen im Fokus:

  • Welche IT-Systeme sind im Unternehmen vorhanden, und welche Schnittstellen existieren zwischen ihnen?
  • Wie lässt sich der Übergang von Altsystemen oder bestimmten Komponenten zu effizienteren, durch KI generierten Systemen bewerkstelligen, die zudem kostengünstiger sind?
  • Mit welchen Schritten der Digitalisierung sollte begonnen werden, und welche Ansätze bieten sich als die „low-hanging fruits“ an?
  • Wie kann eine Migration durchgeführt werden, die möglichst schnell, kostengünstig und fehlerfrei verläuft?

ChatGPT ergänzt meine Gedanken noch darum,

  • dass Menschen weiterhin für Verständnis komplexer Systeme und Problemlösungskompetenz nötig sind. Das lasse ich mal dahingestellt.
  • Sie fordert zu lebenslangem Lernen auf. Das ist sicherlich nicht falsch.
  • führt als zusätzliche künftige Rolle den „Entwickler von KI-Trainingsdatensätzen und -modellen“ an. Verfolgt die KI schon eigene Interessen bei Ihren Antworten?!

Jedenfalls wird Arroganz verlieren und Anpassungsfähigkeit wird wie immer gewinnen.